Ostpreußische Lebensläufe
Sie lebten in Memel oder Tilsit, in Masuren oder im Landkreis Gumbinnen und auf der Kurischen Nehrung. Flucht und Vertreibung als Folgen des Zweiten Weltkriegs haben sie in den Westen und Osten Deutschlands gebracht, auf den amerikanischen Kontinent, nach Israel und, als Gefangene, auch in die Lager Stalins.
Behutsam porträtiert Ulla Lachauer ihre Lebenswege: den der Moorbäuerin Erdmute Gerollis, die am Ende des Krieges an der Memel bleibt und in ihrer zunehmenden Vereinsamung Trost im Glauben findet. Den Weg des Benno Gritzmacher, Sohn eines kleinen jüdischen Fuhrunternehmers, den die Soldaten der Roten Armee vor den deutschen Vernichtungslagern retten, bis er 1945 wieder in Memel ankommt, wo er unter dem Spitznamen ‚Benja‘ – nach dem Gangsterkönig Isaac Babels – eine seltsame Karriere macht. Das abenteuerliche Leben von Alexandra Becker, einer höheren Tochter, die nach einer unglücklichen Ehe als Krankenschwester auf die Kurische Nehrung geht. Und, unter anderem, die Geschichte des Ostberliner Intellektuellen und Kommunisten Wolfgang Buddrus, der sich nach der Wende für die Vergangenheit seiner Familie in Ostpreußen interessiert und darüber in eine Lebenskrise gerät.
Neben den sehr persönlichen Schilderungen öffnen diese Biografien zugleich den Blick für das Trauma, die Heimat zu verlieren, und für die Chancen und die Fähigkeit, in der Fremde wieder Fuß zu fassen.